Biografie Katzenstein
WIR ERINNERN AN
- ALFRED KATZENSTEIN
- JENNY KATZENSTEIN
Der Familienname Katzenstein ist in den Bernburger Adressbüchern (AB)¹ vor 1911 nicht vertreten. Erstmals angegeben ist Alfred Katzenstein im Jahre 1911 als Kaufmann und Inhaber der Firma "M. Mannes² Nachfolger" in der Halleschen Straße 43. Zugleich als Bewohnerin des Hauses ist Fanny Katzenstein, geb. Zeckendorf, als Kaufmannswitwe angegeben. Vermutlich handelt es sich um die Mutter Alfreds und seiner beiden Schwestern. Bereits im folgenden Adressbuch (AB) 1913 wird sie nicht mehr genannt. Für eine Bestattung auf dem Bernburger Israelitischen Friedhof gibt es keinen Beleg.
Alfred Katzenstein übernahm zunächst für seine Firma mit dem Namen "M. Mannes" auch das kaufmännische Profil: "Eisen, Metalle, Producten en gros" - wie M. Mannes im Adressbuch 1900 warb. Ab AB 1927 firmiert sie unter seinem Namen mit der Bezeichnung "Alteisen und Metalle".
Folgende Angaben zur Familie Alfred Katzenstein lassen sich aus den Bernburger Adressbüchern ermitteln:
Erstmals werden 1917 zwei Schwestern genannt, jeweils als Fräulein: Jenny (ab AB 1929 als "Janny") Katzenstein im Haus des Bruders und Mimi Katzenstein in der Lindenstr. 21. Dort wohnt sie mit Otto Stuß (* 12.8.1870) zusammen, einem Krankenkassenassistenten, ab 1934 im AB als Invalide geführt. Er ist deutscher Abstammung. Ab AB 1920 wird sie nicht mehr genannt, weil sie geheiratet haben und nur die Haushaltsvorstände genannt werden. Sie wohnen in der Stiftsstraße 78 wo am 27.1.1921 der Sohn Joachim geboren wird. Ab 1929 ist ihre Anschrift die Kustrenaer Str. 118 - ein neu errichtetes Reihenhaus in der Glück-Auf-Siedlung. Die Eigentümerin ist Mimi Stuß bis zum letzten AB 1938. Ab 1936 beziehen sie ihre neu gebaute Villa Martinsstr. 24, welches ebenfalls Mimis Eigentum ist. Bis 1938 erfolgen alle Namensangaben mit dem Vornamen Mimi. Erstmals in den Datenbeständen der Volkszählung vom Mai 1939 ist ihr - wohl amtlicher - Vorname "Minna" angeführt. Bei dieser Volkszählung kommt ihr Geburtsname "Katzenstein" allein bei ihr vor, d. h. Eltern und Geschwister wohnen nicht mehr in Bernburg.
Wie für alle Deutschen jüdischer Abstammung war für Alfred Katzenstein und seine Familie der 30. Januar 1933, als Adolf Hitler Reichskanzler wurde, eine schwere Zäsur. Bereits zwei Monate später, am 1. April stand sein Geschäft mit der Bezeichnung "Althändler" in der im "Anhalter Kurier" veröffentlichten Liste der 32 "jüdischen Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte", die "von deutschen Volksgenossen zu meiden" seien. Am Boykott-Tag werden auch vor seinem Haus SA-Männer Posten bezogen haben.
Jüdische Unternehmen und Geschäfte standen fortan unter zunehmendem Verfolgungsdruck. Am 16. August 1935 veröffentlichte der NSDAP-Kreisleiter Petri erneut eine Übersicht über 35 Geschäfte in jüdischem Besitz. Am selben Tag gab es ein Extrablatt des NS-Zeitung "Der Mitteldeutsche - Anhalter Nachrichten" mit der Überschrift "Bankjude Gumpel in Schutzhaft". Dies zielte auf die Liquidierung des wohl bedeutendsten Unternehmens in jüdischem Besitz, der Bank "Gumpel & Samson".
¹Stadtarchiv Bernburg: Adressbücher 1877-1938
²Stolperstein für Eheleute und Tochter Eleonore (geb. 1926 in Bernburg) in Magdeburg: http://www.magdeburg-kongress.de/media/custom/698_14113_1.PDF?1331722162
Kurz zuvor wurde bereits eine Kampagne gegen Alfred Katzenstein losgetreten. Im "Anhalter Kurier" vom 26. Juli 1935 war zu lesen:
"Steuerhinterziehungen in Höhe von mindestens etwa 50 000 Mark werden dem jüdischen Alteisen- und Metallwarenhändler Alfred Katzenstein zur Last gelegt, außerdem Nichtangabe von Vermögenswerten.
Wegen Verdunkelungsgefahr und wegen Fluchtverdachtes erfolgte auf Veranlassung des Finanzamtes dieser Tage Festnahme durch die Staatsanwaltschaft. Die zuständigen Beamten sind zur Zeit mit den Nachprüfungen der Vermögens- und Einkommenssteuererklärung usw. des K. beschäftigt."
Dieser Vorgang wird propagandistisch ausgeschlachtet, als zwei Tage später in Bernburg vier Stürmer-Kästen mit pompösen Umzügen und Reden "der Öffentlichkeit übergeben werden".³
Am 13. August 1935 wird Alfred Katzenstein vom Bernburger Schöffengericht wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren Zuchthaus und 20 000 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Seine eingelegte Berufung wurde von der Großen Strafkammer in Dessau abgewiesen4. Am 27.11.1935 erfolgt die Verlegung von Alfred Katzenstein vom Gefängnis in Bernburg in die Strafanstalt Brandenburg-Görden. Aus der im Brandenburgischen Landeshauptarchiv überlieferten Einlieferungsliste konnten seine Geburtsdaten ermittelt werden: Er wurde am 22.02.1881 in Salzuflen geboren5.
Das Amtsgericht Bernburg befragt wegen der Löschung der Firma Katzenstein aus dem Handelsregister am 7.4.1936 die Staatsanwaltschaft Dessau, in welcher Strafanstalt sich Alfred Katzenstein befindet und erhält mit Schreiben vom 16.4.1936 zur Antwort, dass er in der Strafanstalt Brandenburg-Görden sei. Die Strafanstalt sendet daraufhin am 22.4.1936 das Formular mit der Betätigung der Löschung und der Unterschrift von Alfred Katzenstein6.
Spärliche Informationen über Jenny Katzenstein enthält das Gedenkbuch des Bundesarchivs7:
Geboren 24.03.1883 in Bad Salzuflen
Weitere Wohnorte: Bernburg, Leipzig
Emigration nach Belgien
Am 11.08.1942 Deportation von Malines (Mechelen) nach Auschwitz, für tot erklärt
Minna Stuß überlebt in einer sog. Privilegierten Mischehe die NS-Zeit in ihrem Haus Martinstraße 24. Sie stirbt in den 1960er Jahren in Bernburg.
Ihr Sohn Joachim heiratet Margit, geb. Hertl. Aus der Ehe gehen drei Kinder hervor: Heidrun (*1953), Volkmar (*1954) und Helmut (*1956): Joachim stirbt in Bernburg 19788.
Autor: Joachim Grossert
Informationsstand: 05.08.2018
³Anhalter Kurier Nr. 174, 29. Juli 1935
4Anhalter Kurier - Beilage zu Nr. 236, 9. Oktober 1935
5Brandenburgisches LHA Rep.29 – Zuchthaus Brandenburg Do9 – Zugangsliste vom 27.11.1935
6Kopien des LASA DE, zugesandt 03.2018
7https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/ (Zugriff 24.01.2018)
8Kreisarchiv des Salzlandkreises: Meldekartei des VPKA Bernburg