Biografie Moritz Eisemann
WIR ERINNERN AN
- MORITZ EISEMANN
Moritz Eisemann wurde am 7. Dezember 1878 in Bad Salzungen als eines von acht Geschwistern geboren. Er erlernte den Beruf eines Kaufmanns. In Bernburg war er erstmals im Adressbuch 1924, im Haus Friederikenplatz 1 (heute Clara-Zetkin-Platz 1) wohnhaft, aufgeführt. Er war verheiratet mit Ida, geb. London, die die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besaß. Ihr Vater Charles London (1839 – 1913) war nach Bernburg gezogen, um hier einen Landesproduktenhandel zu betreiben. Er verstarb einen Tag nach seiner Frau Johanna am 16. Februar 1913. Die beiden Töchter Friederike und Ida führten danach das Geschäft weiter, das Haus gehörte den Erben von Charles London. So ergab es sich, dass sich Moritz Eisemann bereits in fortgeschrittenem Alter von 46 Jahren 1924 noch einmal einer neuen Herausforderung widmen konnte. Aktiv trat er dem aufkommenden Judenhass entgegen. Bernd G. Ulbrich schreibt: „Er war im Februar 1932 wegen seines Engagements gegen die antisemitischen Bestrebungen zum Vorsitzenden der Bernburger Ortsgruppe des C. V. gewählt worden."1 (C. V. = Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens)
Als in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 die SA-Horden ihre Spur der Verwüstung der jüdischen Geschäfte zogen, ereignete sich am Friederikenplatz 1 Ungeheuerliches: Moritz Eisemann setzte sich den Eindringlingen zur Wehr, bewarf die SA-Männer aus dem Obergeschoss mit Blumentöpfen, Büchsen und anderen Gegenständen. Die Gegenreaktion folgte sogleich. Wilhelm Trebing berichtet: „Mit Gewalt holte ihn die SA heraus und warf ihn wie einen Mehlsack auf den LKW.“2 Nach der sog. Kristallnacht quollen die KZ’s über, hatte man doch die meisten jüdischen Geschäftsinhaber festgenommen. Viele von ihnen wurden nach wenigen Tagen wieder entlassen. Für Moritz Eisemann galt das nicht. Lt. Lagerdokument des KZ Buchenwald hatte er sich zwei Mal zum Zählappell nicht gemeldet und wurde den namenlosen Toten zugeordnet. Die Sterbeurkunde wurde am 19. November 1938 mit der Todesursache Herzinfarkt ausgestellt.3
Erwähnenswert ist auch das Schicksal der Geschwister Ida Eisemann, geb. London – der Ehefrau von Moritz Eisemann – und Friederike London. Beide wurden noch in der Bestandsliste der in Bernburg lebenden Juden vom 15. April 1942 aufgenommen, jeweils mit dem Vermerk „zZt. interniert“. Diese Liste diente zugleich als Deportationsliste für den letzten Transport von Juden aus Bernburg am 16. November 1942. Hierfür wurden handschriftliche Korrekturen eingefügt. Die Angaben zu Ida Eisemann und Friederike London wurden durchgestrichen. Tatsächlich wurden beide wegen ihrer US-amerikanischen Staatsangehörigkeit als sog. „Austauschjuden“ zunächst interniert (Polizeigefängnis Leipzig 23./24. Dezember 1941, danach Internierungslager Rayenburg (Ort nicht genau lesbar; s. Anm. 4), ab 5. Januar 1942 Internierungslager Liebenau), um von dort am 16. Mai 1942 in die USA abgeschoben zu werden. Beide Karteikarten aus Liebenau sind erhalten.5
1 Ulbrich, Bernd G.: Nationalsozialismus und Antisemitismus in Anhalt. – Dessau, 2005. – S. 120
2 Trebing, Wilhelm: Solche „Lappalien“ kennen wir. – In: Freiheit, 20.01.1960. – S. 7
3https://www.badsalzungen.de/de/liste-der-opfer-des-holocaust-der-stadt-bad-salzungen/eisemann-moritz-20011317.html - Zugriff 16.08.2020
4 Siehe Amman, Thomas und Aust, Stefan: Hitlers Menschenhändler – Das Schicksal der „Austauschjuden“. – Rotbuch-Verlag. - 2013
5 Ida Eisemann: https://collections.arolsen-archives.org/archive/1-1-21-6_112160003/?p=1&doc_id=1201481
Friederike London: https://collections.arolsen-archives.org/archive/1-1-21-6_112160004/?p=1&doc_id=1201688
Autor: Joachim Grossert
Informationsstand: 23.08.2020