Biografie Wöhler Salomon
WIR ERINNERN AN
- FRITZ ENOCH WÖHLER
- ANNA SALOMON
Fritz Enoch Wöhler entstammte einer seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Bernburg ansässigen jüdischen Kaufmannsfamilie. Sein Großvater gleichen Vornamens war im ersten Adressbuch der Stadt Bernburg von 1877 als Schnittwarenhändler verzeichnet (Schnittwaren: Waren (meist Textilien) werden der Länge nach (Meterware) verkauft). In Erinnerung blieb den Bernburgern aber die Kohlenhandlung "L. F. Wöhler", die sein Vater Edgar (geb. 1866) ab 1920 in der Hohen Straße 18 führte. Ab 1935 wurde Fritz Enoch Inhaber der Firma.
Fritz Enoch Wöhler wurde am 10. März 1902 in Bernburg geboren. Die Kohlenhandlung seines Vaters befand sich damals noch in der Auguststraße 51 a. Für den Lebensweg von Fritz im „Dritten Reich“ ist es notwendig, seine Abstammung und Religionszugehörigkeit zu untersuchen. Sein oben genannter Großvater – mit vollem Namen Heinrich Friedrich Eduard Wöhler - war deutscher Abstammung. Er heiratete die Jüdin Louise, geb. Arnhold (1842 – 1910). Nach der Logik des Rassenwahns galten somit alle Kinder dieser Beziehung als „Halbjuden“, während nach religiös-jüdischer Einordnung die Kinder als jüdisch galten, weil die Mutter Jüdin war. Fritz Enoch Wöhlers Vater Edgar (1866 – 1941) heiratete Agnes Wöhler, geb. Salomon, Jüdin. Edgar und Agnes ließen ihre beiden Kinder Fritz Enoch und Charlotte 1915 in der Berliner Johannisgemeinde evangelisch taufen und traten selbst 1920 aus der Israelitischen Gemeinde Bernburg aus. Charlotte heiratete 1927 Walter Kürten, geboren am 16. November 1903 in Gustavsburg bei Mainz, katholisch und deutscher Abstammung. Beide wohnten fortan in der Steinstraße 18. Weil offenbar unter der Bernburger Bevölkerung die Abstammung der Wöhlers und Kürtens kontrovers diskutiert wurde, veröffentlichte das NS-Blatt „Der Mitteldeutsche“ am 19. August 1935 unter der Überschrift „Rein jüdisch!“ die Klarstellung von Abstammung und Religionszugehörigkeit. Gleiches verbreiteten auch die Stürmer-Kästen in Bernburg. Fritz Enoch ist zuletzt in einer Auflistung der in Bernburg „zum Tragen des Kennzeichens verpflichtete Juden (als „Dreivierteljude“ unterlag er denselben Restriktionen wie ein „Volljude“) vom 20. November 1941 aufgeführt. In der Spalte „Wohnung“ steht allerdings: „z. Zt. Arbeitseinsatz, wo ???“. Nach den Angaben des Gedenkbuches des Bundesarchivs wurde er in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz1 deportiert und dort am 6. März 1943 ermordet.
Derzeit ist noch ungeklärt, wann und wo Edgar Wöhler verstorben ist. Bei den Datenbeständen der Volkszählung vom Mai 1939 ist er schon nicht mehr aufgeführt, wohl aber Ehefrau Agnes und Sohn Fritz Enoch. Unsere Quellen geben als Sterbejahr 1941 an.
Agnes Wöhler ist die Schwester von Anna Salomon. Sie wurde am 8. April 1867 in Bernburg geboren, blieb unverheiratet und wohnte ab 1911 mit ihrer verwitweten Mutter Ida und der Schwester Helene in der Moltkestraße 7 (heute Beethovenstraße 7). Als Ida und Helene verstorben waren, zog sie in die Hohe Straße 18. Die damals 75-jährige Anna Salomon versuchte nach der Ankündigung der zweiten und letzten Deportation von Bernburger Jüdinnen und Juden, sich mit Gas das Leben zu nehmen. Sie kam ins Krankenhaus und wurde trotzdem am 16. November 1942 in Richtung Ghetto Theresienstadt2 abtransportiert. Dort verstarb sie wenig später am 27. November 19423.
Auf dem Jüdischen Friedhof in Bernburg steht ein schlichter Grabstein für Helene Salomon und dem Platzhalter für Anna Salomon.
Annas Schwester Agnes Wöhler gelangte mit demselben Transport in das Ghetto Theresienstadt. Sie gehörte zu den wenigen Überlebenden des Völkermords, die 1945 nach Bernburg zurück kamen. Ein Zeitzeuge berichtete Ende der 1980er Jahre über eine Begegnung mit Agnes Wöhler: „Ich habe mit ihr gesprochen, sie war völlig am Ende.“
Autor: Joachim Grossert
Informationsstand: 15.08.2020
1www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
2 www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
3 Trebing, Wilhelm: Solche „Lappalien“ kennen wir. – In: Freiheit, 20.01.1960. – S. 7